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Howard Carpendale: Meine Seele war in einem tiefen Loch / Interview

Howard Carpendale im Interview mit Petra cichos

Howard Carpendale im Interview mit Petra Cichos

Howard Carpendale Interview

· Meine Seele war in einem tiefen Loch

· Ich habe keine Angst vor dem Tod

· Wer liebt, darf nicht aufgeben

· Früher war ich oft kein guter Mensch

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Herr Carpendale, Ihre neue CD heißt: „Viel zu lang gewartet“. Auf was haben Sie gewartet?

Man wartet vielleicht viel zu oft, um wichtige Entscheidungen für sich zu treffen. Das braucht Zeit. Letztes Jahr war für mich so ein Zeitpunkt der Entscheidung. Eine neue CD zu produzieren, wieder auf Tournee zu gehen. Und das Gute ist, dass diese Entscheidung gut ist, sich gut anfühlt. Ich mich gut fühle.

Sie fühlen sich gut?

Ja, sehr. Die ganze Produktion war unwahrscheinlich positiv, kreativ, lebendig und sehr  emotional. Es stecken echte und wahrhaftige Gefühle in dieser CD. Wenn man komponiert, muss man sich unglaublich selbst öffnen. Jedenfalls ich. Ein falsches Gefühl bewirkt falsche Töne, Misstöne. Die spüre ich selbst und natürlich auch die Zuhörer.

Ein Lied-Titel heißt: „Kann mir immer noch in die Augen sehen“. Können Sie?

Ja, was ich da im Spiegel sehe, ist ganz okay. Ich habe viele Fehler gemacht, war nicht immer ein guter Mensch. Aber all diese Fehler, Höhen und Tiefen möchte ich nicht missen. Es sind die Erfahrungen der Lebensprägung. Ich bin auch nur ein Mensch. Ich darf und muss Fehler machten.

Welche Fehler haben Sie gemacht?

Oh, soll und muss ich jetzt alle aufzählen? Hm, der größte Fehler oder meine größte Lebensentgleisung war meine Art und mein Verhalten nach dem Hit: Das schöne Mädchen von Seite 1. Dieser Hit war auf Platz 1. Ich fühlte mich auf Platz 1. Ich war ganz oben und dachte die Welt gehört mir. Arrogant und überheblich.

Wie arrogant?

Dass ich nur mich selbst gesehen habe. Hoch oben auf einem Thron, auf den ich mich selbst gesetzt habe. Kein Blick für andere. Meine Augen, meine Ohren, meine verblendete Seele, war viel zu weit von anderen entfernt. Das hat sich zum Glück gerächt. Wer Gefühle anderer nicht wahrnimmt, hat zu sich selbst keine Gefühle mehr.

Wie kam es zu der Erkenntnis?

Ich habe irgendwann gespürt, dass ich eine völlig falsche Ausstrahlung hatte. Auf dem Thorn ist und wird man einsam. Man wundert sich, dass man trotz so viel Erfolg einsam ist. Also fragt man sich warum, ist endlich auch bereit Kritik anzunehmen, steigt vom Thron runter und sagt sich: Nicht Dir gehört die Welt, sondern Du bis nur ein Staubkörnchen in dieser Welt.

Man wird demütig…?

Und man bekommt wieder Respekt. Vor allem und jeden, vor Leben und Tod. Meine Eltern  sind verstorben. Ich hatte immer viel mit meiner Mutter telefoniert. Jahrelang habe ich nach ihrem Tod zum Hörer gegriffen und ihre Nummer gewählt. Das Gefühl der Erkenntnis, dass sie am anderen Ende der Leitung nie wieder abnehmen wird, schmerzt unendlich. Noch heute.

Haben Sie Angst vor dem Tod?

Nein. Aber natürlich habe ich, was wohl normal ist, Angst vor dem Wie. Wie es passiert. Was dann passiert. Ich glaube eigentlich nicht an Wiedergeburt. Aber dass dann wirklich alles weg ist, also ich, all die Erfahrungen, Erkenntnisse, Bewältigung von Lebensaufgaben – hm, schwer zu sagen. Schweres Thema.

Welche Spuren im Sand hinterlassen Sie?

Ich maße mir nicht an Spuren zu hinterlassen. Wenn ich sterbe, also weg bin, bin ich weg. Das sehe ich ganz realistisch. Ich fühle mich weder als Star, noch als Wegbereiter für Folge- Generationen. Wenn ich hier und jetzt durch meine Lieder noch etwas Freude vermitteln darf, Gefühle anspreche, so finde ich es toll und bin dankbar.

Auf Ihrer Facebook-Seite sind schon fast 70 000 „Gefällt mir Klicks“…

Ja, darüber freue ich mich sehr. Obwohl mein Album ja noch nicht raus ist, ist die Resonanz enorm. Zumal so positiv, so liebenswert. Dass ist natürlich ein schönes Kompliment und eine gute Antwort für meine Entscheidung, nochmals auf Tournee zu gehen.

Sie sehen auch sehr fit aus…

Das bin ich auch. Auch wenn jetzt manche wieder müde lächeln: Mein Lebens-Elexier ist Golf. Bewegung, frische Luft, absolute Konzentration. Dazu Frust, wenn es nicht klappt, riesige Freude, wenn ein Schlag besser als mancher Profi-Golfer ist. Dies heißt, man erlebt Sieg und Niederlage ganz schnell hintereinander. Also Leben pur.

Leben pur. Und was macht die Liebe? Wie geht es Ihrer Lebensgefährtin Donnice?

Banal gesagt gehört natürlich die Liebe zum Leben. Und ich liebe. Ja, ich darf lieben, auch wenn es manchmal nicht so einfach ist. Auch wenn ich das Thema Alkohol-Krankheit nicht intensivieren möchte: Wenn man liebt, kann man nicht jemand aus seinem Leben verbannen. Jedenfalls kann ich es nicht.

Sie hatten zeitweise selbst Depressionen…

Eigentlich mag ich den Begriff Depression nicht. Als ob es eine Krankheit ist, die grundlos aus dem Nichts auftaucht. Es sind aber auch oft immer realistische Auslöser. Zum Beispiel als meine Eltern starben, meine Mutter. Ich bin in ein tiefes Loch gefallen. Oder als mich ein wirklich sehr guter und langjähriger Freund enttäuscht hat.

Ein Freund hat Sie enttäuscht…

Ja, ich möchte hier nicht auf die Gründe eingehen. Die Enttäuschung war ja noch irgendwie zu verkraften. Aber dieser Verlust, diesen Freund verloren zu haben, schmerzte sehr. Mir ging es wirklich auch körperlich schlecht. Ich war unendlich traurig, hatte keine Ziele mehr. Wahrscheinlich war dieser Verlust auch der Auslöser für andere Sachen.

Welche Sachen?

Dass eben doch alles vergänglich ist. Dass Verlust so schnell stattfindet. Dass Veränderungen von heute auf morgen passieren können. Dass man sich nie sicher sein kann. Und wenn man traurig ist, überdimensioniert man natürlich solche Gedanken und Ängste. Man fühlt sich wie gelähmt. Man funktioniert nicht mehr.

Wie haben Sie diese Krise überwunden?

Ich habe Hilfe gefunden. In dem Fall habe ich diese ja auch bewusst gesucht. Als ich vor Jahren, als ich aufgehört habe zu singen, schon mal tief traurig war, wusste ich das so noch nicht. Damals war ich schlichtweg nur traurig. Ich hatte keine Ziele, keine Visionen mehr. Aber wahrscheinlich müssen all diese Lebensphasen im Leben sein, um stark zu werden.

Sind Sie jetzt stark?

Oh, ich fühle mich so – ja. Ich freue mich wirklich riesig auf die Tournee und bin gespannt, wie meine CD ankommt. Ich habe ein gutes Bauchgefühl, klopfe aber trotzdem dreimal auf Holz. Einer meiner Liedtexte heißt: Es wird alles gut, wenn Du die Träume in Dir weckst. Dich nicht geschlagen gibst und alles tust. Ich habe versucht mein Bestes für die CD zu tun.

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Petra Cichos / Oktober 2013

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